Mächtigkeit, Überabzählbarkeit, Transzendenz

Es wurde die Kardinalität unendlich eingeführt für Mengen M mit der Eigenschaft, dass eine echte Teilmenge S ⊂ M existiert, die sich bijektiv auf M abbilden lässt. Wir haben uns davon überzeugt, dass ℕ und ℝ in diesem Sinne unendliche Mengen sind. Jetzt wollen wir uns der Frage zuwenden, ob es Abstufungen des Unendlichen gibt, insbesondere auch, ob ℝ gleich-mächtig wie ℕ ist.

 

Definition 1:

  • Eine Menge M hat abzählbar unendlich viele Elemente, falls es eine Bijektion f : M →ℕ gibt. .
  • Eine Menge M unendlicher Kardinalität heißt überabzählbar, wenn sie nicht gleich-mächtig wie ℕ ist, d.h. wenn es keine Bijektion von M nach ℕ gibt.

 

Es stellt sich sofort die Frage, ob es überabzählbare Mengen gibt. Unser erster Kandidat ist die Menge der rationalen Zahlen. Das folgende Tableau zeigt, dass sich die Menge ℚ∩ℝ+ abzählen lässt, d.h., dass es eine Folge (pn)n∈ℕ gibt, in der alle Zahlen r∈ℚ∩ℝ+ genau einmal vorkommen.

 

 

Lemma 1:

  1. Abzählbare Vereinigungen abzählbarer Mengen sind abzählbar.
  2. Endliche Vereinigungen abzählbarer Mengen sind abzählbar.
  3. ℝ\ℚ ist überabzählbar.
  4. Die Menge der algebraischen Zahlen ist abzählbar. Dabei heißt x ∈ ℝ algebraisch, falls für geeignete ℤn+1 ∋ (a0,a1,...,an) ≠ (0,...,0) gilt, dass: anxn +an−1xn−1+...+a1x+a0=0.
  5. Die Menge der transzendenten Zahlen, d.h. das Komplement der algebraischen Zahlen in ℝ, ist überabzählbar.

Beweis von Lemma 1:

  1. Die Aussage folgt mit Hilfe eines ähnlichen Tableaus, wie wir es zum Nachweis der Abzählbarkeit von ℚ verwendet haben. Sind nämlich Abzählungen Si : ℕ→ Ai der Mengen Ai, i ∈ ℕ, gegeben, so sollte das Tableau in der i-ten Zeile und j-ten Spalte das Element Si(j) enthalten.
  2. Hier genügt es, ein Tableau wie unter 1. mit endlich vielen Zeilen zu betrachten. ad
  3. Wäre ℝ\ℚ abzählbar, so wäre ℝ=ℝ\ℚ∪ℚ nach 2. abzählbar – ein Widerspruch. ad
  4. Jede solche Gleichung hat höchstens n Wurzeln, wie man in der Algebra lernt. Da n-Tupel ℚ×ℚ×...×ℚ abzählbar sind, sind auch die Nullstellen der Polynome n-ten Grades mit rationalen Koeffizienten abzählbar. Identifiziert man die algebraischen Zahlen {Nullstellen der Polynome n-ten Grades mit rationalen Koeffizienten}, so ergibt sich mit 1. die Behauptung.
  5. Dies folgt mit einem ähnlichen Argument wie unter 3.