Wie funktioniert Risikomanagement?

Finanzkrisen meistern: Erwarte das Unerwartete

 

Was sind die Risiken, wenn ich Finanzgeschäfte tätige? Wie groß sind diese Risiken? Und wie viel Risiko darf ich mir erlauben? Dies sind zentrale Fragen in der Risikomanagement-Abteilung der Deutschen Bundesbank und jeder anderen Bank. Insbesondere bei der zweiten Frage, der Messung der Risiken, kommt man ohne Mathematik in der Regel nicht aus.

Erklärung von Risikomanagement als Anwendung von Mathematik.

Risiken am Finanzmarkt entstehen, weil die künftige Entwicklung von Marktdaten wie Aktienkursen, Wechselkursen oder Zinsen unsicher ist. Solche unsicheren Marktdaten werden daher auch als Risikofaktoren bezeichnet. Je nach Entwicklung dieser Risikofaktoren erleide ich als Anleger Gewinne oder Verluste. Auch wenn diese Gewinne oder Verluste heute noch unbekannt sind, so ist es wichtig, sie in einer gewissen Weise zu messen. Nach dem Vorsichtsprinzip spielt dabei nicht nur der erwartete Verlust eine Rolle, sondern vielmehr der mögliche Verlust in einem extrem ungünstigen Szenario (Sprich: Wenn sich alle Risikofaktoren stark in ungewünschte Richtung bewegen, z.B. in einer Finanzkrise).

 

Die Frage lautet daher: Angenommen der eher unwahrscheinliche Fall eines großen Verlustes tritt ein, wie groß ist dann dieser Verlust? (Gesucht wird also ein bedingter Erwartungswert). Um diese Frage zu beantworten, wird häufig eine sogenannte Monte-Carlo Simulation durchgeführt. Dabei unterstellt man für jeden relevanten Risikofaktor ein bestimmtes stochastisches Verhalten, d.h. man weiß zwar nicht, welcher Zustand sich als nächstes einstellt, aber man weiß etwas über die Wahrscheinlichkeit, mit der er eintritt. Mit dieser Information lässt sich mit Hilfe eines Zufallszahlengenerators eine Vielzahl an künftigen Szenarien simulieren. Unter allen Szenarien werden anschließend nur diejenigen betrachtet, die beispielsweise zu den 1% der größten Verluste unter allen Szenarien führen. Durch Bildung des Mittelwertes über die Verluste in diesen ausgewählten Szenarien gelangt man dann zu dem gewünschten Risikomaß. (Nach dem Gesetz der großen Zahlen konvergiert der Mittelwert unserer Stichprobe mit zunehmenden Simulationsläufen gegen den bedingten Erwartungswert, so dass wir bei genügend Simulationen eine gute Approximation erhalten sollten.)

Abbildung 1: Exemplarische Darstellung der Risikoberechnung mittels Monte-Carlo Simulation

Die größte Herausforderung bei dieser Vorgehensweise besteht jedoch darin, das passende stochastische Modell für die zugrundeliegenden Risikofaktoren zu finden. Ausgangspunkt der Modellierung stellen die Zeitreihen mit den vergangenen Marktdaten dar (d.h. beispielsweise die täglichen Aktienkurse der letzten T Jahre). Aus den Entwicklungen der Vergangenheit möchte man auf künftig mögliche Verläufe schließen. Sehr beliebt ist an dieser Stelle die Idee, dass der künftige Wert direkt vom aktuellen und weiter zurückliegenden Werten abhängt:

 

Xt=c+α1⋅Xt-1+α2⋅Xt-2+ … +αn⋅Xt-nt

Entscheidend bei diesem Ansatz ist vor allem der Term. Dieser stellt die stochastische Größe für die Entwicklung von einem Zustand zum nächsten dar. Seine Wahrscheinlichkeitsverteilung muss (genauso wie die festzulegenden konstanten Modellparameter c, α1α2, ..., αn) möglichst gut an die Beobachtungen in der Vergangenheit angepasst werden. Auch Abhängigkeiten zwischen mehreren Risikofaktoren sollten dabei berücksichtigt werden, denn oft weisen Marktdaten ein sehr ähnliches Verhalten auf. So bewegen sich beispielsweise Aktien oftmals in dieselbe Richtung (steigend bei guter Marktstimmung, fallend bei schlechter). Nach erfolgter Spezifizierung des Modells können Szenarien für künftige Marktentwicklungen Schritt für Schritt erzeugt werden:

Abbildung 2: 1000 Simulationen eines Risikofaktors für die nächsten 12 Zeitschritte

Neben den hier beschriebenen Risiken in Bezug auf die unsichere Entwicklung der Preise auf dem Finanzmarkt gibt es je nach Geschäftsart weitere Risikoarten, die für eine Bank relevant sind. So berechnen Mathematiker etwa auch, wie wahrscheinlich der Ausfall von Kreditnehmern und damit einhergehende Verluste sind. Da jede Risikoart sehr spezifisch ist, sind jeweils andere Modelle erforderlich. Ob ein Modell für den jeweiligen Sachverhalt tatsächlich geeignet ist, muss anhand von Bewertungskriterien laufend überprüft werden. Denn jedes Modell unterliegt letztendlich einer Reihe von Annahmen und kann daher nur so gut wie eben diese sein.

 

Autor: Dr. Laurenz Mönnig

Dieser Artikel wurde bereitgestellt von der Deutschen Bundesbank

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